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Dissidenten

 In den frühen 70ern gab es in der Bundesrepublik Deutschland nur wenige Bands, von denen man sagen konnte, daß sie weltbekannt waren. Dazu gehörten Can, Kraftwerk, die Scorpions... und Embryo aus Mün- chen, 1969 vom Franken Christian Burchard († 2018) gegründet. Ende 1980 wurden die Differenzen in- nerhalb von Embryo so stark, daß "eine Zellteilung stattfand" (ROCK IN DEUTSCHLAND). Müllrich, Josch und Wehmeyer setzten sich als Embryo's Dissidenten in das damalige West-Berlin ab. Die erste Besetzung bestand aus: Müllrich (ex-Lokomotive Kreuzberg), Josch, Michael Wehmeyer (key, p, ex-Missus Beastly), William De Souza (dr) und Rama Mani (perc, Karnataka College Of Percussion) und dem Techniker Gunni Heidler (ex-Kraan). Die Dissidenten waren zwar "nominell eine deutsche World Music/Indie-Rock-Band, bekannt wurden die 'Godfathers of World-Beat' (ROLLING STONE) insbesondere aber für ihre Zusammenarbeit mit KünstlerInnen aus dem Mittleren Osten, Nordafrika und Indien" (LAUT), "geerdet im jazzigen Kraut-Rock der 70er, suchten sie mit ihrem Interesse an Klängen aus anderen Weltregionen ab 1980 eine neue Ausrichtung" (MUNZINGER). 27 1981 erschien mit 'Hindustan Exil Part 1' eine erste Kassette bei SCHNEEBALL RECORDS, die nur aus einem Song über zwei Seiten bestand. "...endlose Sessions im Schneidersitz.

Everybody can do it – just try and keep on trying – look at me, I am old and still trying. Wenn Musik erst mal Kultur genannt wird, ist's schon fast aus. Unsere Straßen singen nicht mehr, aber unsere Ohren sind noch offen. Shiva tanzt durch MacDonalds Zwing- burgen. Wenn keine Steine zur Hand sind, schmeißen wir halt mit Tönen. Legalisiert Alles!!!" (COVERTEXT). Im gleichen Jahr erschien mit 'Von Indien bis Marokko, Exil Part 2' gleich die zweite Musik- Kassette. Im selben Jahr verkürzte die Gruppe den Bandnamen zu Dissidenten, und Marlon Klein (ex-Real Ax Band) kam für den ausgestie- genen Michael Wehmeyer, der sich wieder in Richtung Embryo verabschiedet hatte. Eben- falls 1981 gründeten Müllrich, Klein und Josch in Berlin ihr eigenes Label EXIL MUSIK. Nach ihrer ersten Tour 1981/82 ging die Gruppe nach Indien. "Dort entschied das Trio, zunächst als Gäste im Palast des Maharaja Bhalkrishna Bharti von Gonda- gaon zu leben und zu arbeiten, und produzierte dort, sowie in Bangalore, die 28 Basisaufnahmen des Albums 'Germanistan'" (MUNZINGER). Es entstand in Zusammenarbeit mit dem Karnataka College Of Percussion, deren charismatischer Sängerin R.A. Ramamani und dem indischen Perkussionisten Ramesh Shotham aus Köln.

"Dieses Projekt, bei dem auch der Saxophonist Charlie Mariano mitwirkte, erregte großes Aufsehen, weit über die Grenzen Indiens hinaus" (WELTMUSIK-MAGAZIN). Da traf indische Raga-Tradition auf europäische Weltmusiker. Das war für die drei Dissidenten der erste Anlauf zu der seither vertieften Synthese aus europäischen, asiatischen und afrikanischen Sounds. Konzerte zwischen Kalkutta, Madrid, Casablanca, Berlin und Stockholm wurden auf dem Live-Album 'Germanistan Tour 83' dokumentiert. Im Anschluß an eine Nordafrika-Tournee schlug die Gruppe ihr Quartier im marokkanischen Tanger auf. Durch die Vermittlung des US-Komponisten und Schriftstellers Paul Bowles machten die Dissidenten die Bekanntschaft mit einigen der wichtigsten marokkanischen Musiker, darunter Abdessalam Akaaboune, 29 einer der einflußreichsten Personen der marokkanischen Musikszene. Im Sultanspalast von Tanger eta- blierte die Gruppe vorübergehend ein "Dissidenten-Studio" und produzierte dort die 83er LP 'Sahara Elek- trik'. Gemeinsam mit Lem Chaheb und ihrem Sänger Cherif Lamrani "entstand so eine grandiose Mischung aus arabischen Beats und westlichem Pop" (MUNZINGER). 'Sahara Elektrik' avancierte zu "einem der 50 wichtigsten Alben der deutschen Popgeschichte" (ME/SOUNDS) und das darauf enthaltene Stück Fata Morgana wurde später im Mittelmeerraum (hauptsächlich Italien und Spanien) und in Südamerika (speziell Brasilien) zu einem kommer- ziellen Erfolg und sorgte mit dafür, daß die Band sich wei- ter etablierte.

Für einen weiteren Schritt in Richtung Weltkarriere sorgte der deutsche DJ und Labelbetreiber Sven Väth, der in der ersten Hälfte der 90er ihr Jungle Book Part 2 durch den Technowolf drehte, mit flächigen Beats austattete und sie so auch für Leute attraktiv machte, die mit den Dissiden- ten eher weniger anfangen konnten. 1984 erschien die EP 'Casblanca' mit zwei Titeln, die die Dissidenten teilweise gemeinsam mit Lem Chaheb aufge- nommen hatten. Allein während einer spanischen Drei- Wochen-Tournee trat die Band vor ca. 250.000 Besuchern auf. Im November absolvierte die Band einen Auftritt im Rahmen des Rockpalastes in der Zeche in Bochum für den WDR. 1985 erschien in Spanien das Album 'Arab Shadows' in der Dreierbesetzung Müllrich, Josch und Klein. 1986 gingen die Dissidenten zurück in die marrokanische Hafenstadt Tanger. Jedoch hatte ihre Popularität in den arabischen Ländern in kurzer Zeit solch gewaltige Dimensionen angenommen, daß sie sich ent- schieden, lieber in Madrid zu wohnen und zu arbeiten. So wurde die LP 'Life At The Pyramids' (1986) in 30 Tanger und in Madrid aufgenommen. Neben Josch, Klein, Müllrich, Lamrani, Houssaine Kili und Baroudi, waren hier u.a. auch Roman Bunka (g, oud, ex-Embryo, -Aera, -Missus Beastly) und die Musikerin Stella Chiweshe (mbira, voc) zu hören.

Durch den Song Telephone Arab gelang der Band nicht nur ein weiterer Hit, sondern erweckte auch die Aufmerksamkeit des US-Marktes. Durch die Vermittlung von David Byrne (ex-Talking Heads) und Brian Eno (ex-Roxy Music) unterschrieben die Dissidenten einen weltweiten Vertrag mit SIRE RECORDS. Unter anderem traten sie dann 1988 auf der Eröffnungs-Veranstaltung des New Music Seminar im New York Palladium auf, was die Bekanntheit der Gruppe weiter steigerte und ihren Druch- bruch in Nordamerika darstellte. Das Konzert wurde später als 'Dissidenten – Live In New York' (1991) veröffentlicht. Seit Mitte der 80er und bis heute sind die Dissidenten mal mehr und mal weniger umtriebig. Seit Ende der 80er ver- öffentlichten die "musikalischen Globetrotter" (HIFI VISION) in regelmäßiger Unregelmäßigkeit exzellente Alben, für die sie fast immer außerordentliche Gäste einladen konnten, u.a. Manfred Schoof (tr), das Karnataka College Of Percussion und den ägyptischen Superstar Mohamed Mounir (voc).

 

Burghard Rausch im Juni 2020

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