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Siluetes 61

Tom Dokoupil (g, b, kb)

Siluetes 61 war das Solo-Projekt von Tom Dokoupil, das er in der ersten Hälfte der 80er mal mehr und mal weniger intensiv betrieben hatte. Tom ist der Bruder von Jiri Georg Dokoupil, einem deutsch-tschechischen Maler und Grafiker, der zu den Vertretern der "Jungen Wilden" der 80er gehörte. 24| Der 1959 im tschechischen Krnov geborene Maler, Musiker, Komponist, Schauspieler und Produzent Tom Dokoupil gilt als eine der wichtigsten Figuren der Limburger Szene ("Limburger Pest"), der bei fast allen Projekten dieser Gegend irgendwie/ir- gendwo seine Finger mit im Spiel hatte. "Die ganze Limburger Szene ist nebenbei gesagt ein einziger Inzuchts-Verein. Jeder macht mit jedem Musik" (Radierer-Homepage). Dokoupil war u.a. Mitglied der Gruppen Die Partei, Die Radierer, The Wirt- schaftswunder und auch Maler der "Neuen Wilden". Als Produzent machte sich Dokoupil ebenfalls einen Namen. So produ- zierte er die erste Single der Band Kein Mensch – eine experimentelle Rockband der frühen 80er aus Hagen. Diese Gruppe war 1979 im Umfeld der Band Extrabreit und des Performance-Künstlers Wolfgang Luthe in Hagen gegründet worden.

Außerdem zeichnete sich Tom Dokoupil 1982 als Produzent des selbstbetitelten Albums von Nylon Euter aus, der Gruppe, die Markus Mörl (g, voc, später als Markus erfolgreich) nach seinem ersten Bandversuch The Deutschmarks ins Leben gerufen hatte. Nylon Euter schwammen damals im Kielwasser der NDW und bestanden – neben Mörl – aus Manfred Weber (g), Gunne Wagner (voc), Elmar Holm (dr), Thomas Minor (b) und Werner Minor (kb). Aber weder dem Album noch der ausge- koppelten Single Ich will (kleines Girl) war großer Erfolg beschieden. Die ersten "richtigen" Gruppen des Tschechen mit der "wuchtigen Gestalt" ('christiankessler.de') waren Die Radierer und The Wirtschaftswunder. Die gehörten – neben Mittagspause, Der Plan, S.Y.P.H. und Palais Schaumburg – zu den wegwei- senden Bands der Postpunk-Szene. Beide Gruppen waren Teil der sehr offenen Underground-Szene im hessischen Limburg und schafften es immerhin, einige Spuren in der NDW-Szene zu hinterlassen. 1980 wurde Dokoupil neues Mitglied bei den Ra- dierern.DieGruppeproduzierte(inderBesetzung |25 Jürgen Beuth (g, dr), Christian B. Bodenstein (voc), Peter Lack (dr) und Dokoupil) Demo-Auf- nahmen. Gleich die 80er Debütsingle Angriff auf's Schlaraffenland, für das neue ZICKZACK-Label von Alfred Hilsberg, wurde ein Erfolg. Die Radierer ver- öffentlichten mit 'Eisbären & Zitronen' (1981) ihr Debütalbum mit "einfachen, klaren Strukturen und witzigen Texten" ('Sounds').

Nach der Veröffentlichung verließ Dokoupil die Radierer, weil er mit The Wirtschaftswunder, Siluetes 61 und seinem Studium ausgelastet war. So veröffentlichte Dokoupil als Siluetes 61 im Herbst 1980 auf dem ZICKZACK-Label auch gleich das selbstbetitelte Debüt- Album mit insgesamt 17 "Avantgarde-Synthie-Pop-Titeln" ('Ohmytracks'), die er alleine komponiert, arrangiert und aufge- nommen hatte. The Wirtschaftswunder hatten sich sich inmitten der boomenden NDW als anspruchsvolle, experimentierfreudige Vertreter des deutschen Neo-Rock profiliert. Im Herbst 1980 veröffentlichten The Wirtschaftswunder gemeinsam mit den Radierern und Siloutes 61 die Compilation 'Limburger Pest'. Die bestand aus zwei Vinyl-Singles und einer Flexi-Disc.

Der Beitrag der Siluetes 61 war die Flexi-Disc-Single Wo ist der Dom? Anfang 1981 erschien dann mit 'Salmobray' das Wirtschaftswunder-Debütalbum, und ebenfalls im Januar veröffentlichte Tom Dokoupil auf seinem eigenen Label die Compilation-Cassette 'Non Dom', auf der – neben den Radierern und The Wirt- schaftswunder – auch Siluetes 61 mit sieben Titeln vertreten waren. Die Compilation ist u.a. auch des- halb sehr interessant, weil sich neben zahlreichen frühen Alternativversionen auch einige unveröf- 26| fentlichte Sachen befinden. Am 27. Juni 1981 stoppte allerdings ein Autoun- fall, bei dem sich Sänger Galizia verletzte, die Ak- tivitäten von The Wirtschaftswunder. Nach einem längeren Krankenhausaufenthalt von Galizia be- gann der ungarische Regisseur Gábor Altorjay mit den Dreharbeiten zum Super-16-Schwarz-Weiß- Fernsehfilm 'Chernovets' ('Tscherwonez'), in dem Galizia und Dokoupil größere Rollen spielten. Im Herbst 1981 hatte Dokoupil als Siluetes 61 mit 'Ich hasse jeden der mich nicht mag' das zweite Album veröffentlicht. Auch das war wieder im Al- leingang entstanden. Für die Veröffentlichung hatte er (mit Geld vom POLYDOR-Label) das eigene Label TAUSEND AUGEN gegründet.

Dort erschienen sowohl das Album als auch die ausgekoppelte Single Fahrt im DAF. Die Single bestand aus der "Fahr den DAF Seite" und der "Sing selbst Seite" und war eine Huldigung an die niederländi- sche LKW- und spätere Kult-PKW-Automarke der 50er bis 70er. Die freie Zeit im Frühjahr 1982 nutzte Dokoupil für das einmalige Projekt Die Partei, das er mit dem deutschen Maler, Fotograf, "Klangkünstler" und Joseph Beuys-Schüler Walter Dahn (Die Hor- nissen) ins Leben gerufen hatte. Dahn hatte zu diesem Zeitpunkt |27 auch schon mit Musikern aus der Kölner Szene um Can gearbeitet. Dokoupil und Dahn trafen sich in Dokoupils Studio 61. Nach ein paar Sessions entschied man sich für den Namen Die Partei und für ein Konzeptalbum mit strengen Vorgaben: Die Aufnahmen sollten an nur einem einzigen Wochenende stattfinden, die Musik sollte in- strumental, elektronisch und tanzbar sein und einige Filmzitate ent- halten. Dokoupil und Dahn hatten jeweils ganz bestimmte Stimmungen im Sinn, die sie mit den Stücken erzeugen wollten. Es durften nur bestimmte Instrumente verwendet werden, und es ging ihnen auch "um die Dualität im Kontrast: gut/böse, schön/häßlich (bezogen auf den Sound), schnell/langsam, politisch rechts/poli- tisch links (bezogen auf das Artwork)" (Dokoupil). Fehlte nur noch ein Name für das Album: 'La Freiheit des Geistes'.

Dann traf sich das Duo an einem Wochenende und spielte die Titel zu 'La Freiheit des Geistes', einem instrumentalen Postpunk-Synthie- Pop-Album, ein. Filmzitate und sporadisch eingespielte "echte" Instrumente ergänzten den elektronischen Sound. 'La Freiheit des Geistes' war "ein Album der sich gegenseitig anziehenden Gegensätze" (Dokoupil). Dabei schafften es Dokoupil und Dahn, "eine fröhlich lockere Tanzplatte zu machen, die weder Funk noch D.A.F. nötig hatte. Vorwiegend Warmtöne, me- chanisch schnelle, kaum wahrnehmbare Rhythmusbox, sparsame Gitarren, hin und wieder Saxofon und mal Trompete. Darüber liegen Themen, kleine Melodien, so simpel wie einprägsam, manchmal an Yello erinnernd" ('Sounds'). 2014 wurde das Debüt von Die Partei wiederveröffentlicht. Nach dem zweiten Wirtschaftswunder-Album bei POLYDOR wurde im April die der Soundtrack zum Film 'Tschernowez' veröf- fentlicht. Im Januar 1984 erschien erst mit Pizza / Raketen die Vorabsingle und unmittelbar danach das dazugehörige 28| Album 'Pop Adenauer' beim ARIOLA-Sublabel ON-RECORDS. 1985 lösten sich The Wirtschaftswunder schließlich auf.

Zwischenzeitlich (1982) hatte Dokoupil mit dem "Electronic-Rock-New-Wave-Experimental-Trio" ('Discogs.com') Quick Cul- ture, bestehend aus ihm, Detlev Kühne (g, voc, kb, Die Hornissen, Uschi Flacke und Band) und Rosita Blissenbach (b, voc, sax, Alvi & The Alviettes), das selbstbetitelte Album veröffentlicht. Bei der Platte, die teilweise in seinem Studio 61 aufge- nommen wurde, waren neben den drei Mitgliedern noch Andreas Terhoeven (dr, perc), Albrecht Koch (g) und Andreas Hopp- mann (sax) beteiligt. 1984 veröffentlichte Dokoupil mit Detlev Kühne, Walter Dahn und Robert Crash (g, Thunderbirds) unter dem Namen Slinky Gym School feat. Rammellzee die Electro-HipHop-Single Crazy Sneakers. Dafür hatte sich das Quartett mit dem New Yorker Graffiti-Künstler und HipHop-Musiker Rammellzee (+ 2010) zusammengetan, der in seiner Heimat bereits seit den 70ern eine prägende Szene-Gestalt war. Tom Dokoupil zog nach Köln, wo er bis heute als Musiker, vor allem im Bereich der Film- und Fernsehmusik, aktiv ist. Au- ßerdem betrieb er sein Projekt Siluetes 61 weiter und produzierte die Solo-Singles des Trio-Schlagzeugers Peter Behrens – Das Tor (zur Fußball-Europameisterschaft in Deutschland 1988) und Sie kam Australien (1990)...

Burghard Rausch 

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Aus grauer Städte Mauern - Die Neue Deutsche Welle (NDW)

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