Who was/is Grauzone ? - CDs, Vinyl LPs, DVD and more

Grauzone

Martin Eicher (g, syn, voc, perc, org)
Stephan Eicher (g, syn, voc, sax)
Marco Repetto (dr, g, voc)

Die Gruppe Grauzone gehörte zur SchweizerMusikszenederfrühen80er |59 und avancierte mit ihrem Charterfolg Eisbär im gesamten deutschsprachigen europäischen Raum zu den Wegberei- tern der Neuen Deutschen Welle. Der Song konnte unmittelbar nach der Ver- öffentlichung erhebliches Radio-Airplay verbuchen und gelangte sowohl in Österreich (# 6) als auch in Deutsch- land (# 12) in die Verkaufscharts. Grauzone hatten mit Eisbär ein "großes Stück NDW mitgeschrieben. Die kalte synthesizerlastige Musik mit dem pes- simistischen Text traf damals exakt den Zeitgeist" ('ichwillspass.de'). Die Single verkaufte sich über 500.000 mal und avancierte zur Hymne der Züricher Jugend- unruhen in diesem Jahr. Schlagzeuger Repetto und Bassist G.T. (Christian Trüssel) hatten gemeinsam in der Berner Punkband Glueams gespielt. Die war auch recht erfolgreich, endete allerdings Ende 1979 in heftigsten Streitereien, "weil es um die Sängerin Dorette Schmidt eifersüchtige Kämpfe gab" (Repetto).

Also war Repetto mit dem Thema Punk durch, auch weil es ihm musikalisch zu eintönig wurde. Er ging für einige Monate nach London und entdeckte dort eine neue faszinierende Szene. Er sah Bands wie Siouxsie And The Banshees, The Psychedelic Furs, Wire, Cabaret Voltaire und Fad Gadget in den angesagten Clubs wie Marquee, Music Machine, Dingwalls oder Lyceum. Als er wieder nach Bern zurückkehrte, wollte er "unbedingt etwas Neues und Frisches machen" (Repetto). Also gründete er mit seinem ehemaligen Bandkollegen G.T. und Martin Eicher (ex-Noise Boys) die erste Version von Grauzone, die sich anfänglich noch XXX nannten. Der Name Grauzone stammte "von einem Film, den wir al- 60| lerdings nie gesehen hatten" (Repetto). Eicher hatte Glueams schon bei den Aufnahmen ihrer zweiten Single Mental (1979) unterstützt. Claudine Chirac (sax) gehörte anfangs noch zur Gruppe, wurde aber nie offizielles Bandmitglied. Sie versuchte sich Mitte der 80er als Solistin und veröffentlichte unter der Regie von Urs Steiger Singles und die EP 'Nautilus' (1983). Die Gruppe Grauzone versuchte "ihr Musikkonzept multimedial zu erweitern: Sie ergänzten ihr Instrumentarium mit Syn- thesizern, Lichteffekten und Super-8 Filmprojektionen" ('ichwillspass.de').

Im Frühjahr 1980 absolvierten Grauzone im Berner Club Spex ihr Live-Debüt, bei dem sie temporär von Chirac und Stephan Eicher (ex-Noise Boys) unterstützt wurden. Stephan Eicher hatte vorher an der Züricher Kunstschule F + F für Kunst und Mediendesign studiert und verfügte über gute Verbindungen zur No Wave-Szene in New York. Durch ihn kam "eine Art von Velvet Underground-ähnliche Stimmung in die Band. Er war in seinem Wirken sehr enthusiastisch und trieb uns in allem, was wir machten, immer an" (Repetto). Grauzone waren "keine gute Band, aber eine sehr gut aussehende Band, die lernen muß, mangelndes Können mit einem Höchstmaß an Gefühl zu kompensieren" (St. Eicher). Stefan Eichers musikalischer Einfluß war immens und sein Bruder Martin schrieb die Texte dazu. Obwohl es – laut Repetto – in der Schweiz keine richtige Szene gab, veröffentlichte der umtriebige Inhaber des OFF COURSE- Labels und Herausgeber des Züricher Punk-Magazins 'No Fun', Urs Steiger (ein Art graue Punk- und Wave-Eminenz bei den Eidgenossen), die Compilation 'Swiss Wave The Album'. Steiger war im Vorfeld dazu auf Grauzone aufmerksam geworden und finanzierte die Studioproduktion der zwei Titel Eisbär und Raum. Damit beteiligte sich die Band an der 'Swiss Wave', die mit einer großen Release-Party vorgestellt wurde. "Nach unserem Gig bei der Party kam ein Gast und erklärte Martin, daß seine Gitarre geklungen habe wie Scheiße. Er meinte damit, daß wir nicht so klangen wie The Clash oder irgendeine andere typische Punkband.

Da wußten wir definitiv, daß wir irgendetwas Neues machen" (Repetto). Weitere Compilation-Musikbeiträge für 'Swiss Wave' kamenvonSchweizerGruppenwieTheSick,Jack&The |61 Rippers, Lilliput (ex-Kleenex), Rudolph Dietrich & KDF (Kraft Durch Freude mit Thomas Wydler u.a.), Lady- shave und Mother's Ruin. Grauzones Song Eisbär war unter der Regie des Toningenieurs Etienne Connod – eine Art Phantom-Mitglied der Band – entstanden. Con- nod war "verantwortlich für den tanzbaren Geradeaus- Rhythmus. Wir waren komplett unvorbereitet im Studio, hatten keine Ahnung, daß man einen Plan haben sollte, bevor man ins Studio geht. Aber plötzlich funktionierte alles" (Repetto). Zuvor war es im Studio bei den Auf- nahmen beinahe zum Eklat gekommen. Schlagzeuger Repetto fiel durch leichte Rhythmusschwankungen auf, weshalb sich die Produzenten dafür entschieden, für das Stück Eisbär aus den Schlagzeugaufnahmen einen Drum-Loop zu basteln, eine Methode, die damals in den neuesten Disco- produktionen in München angewendet wurde. Aber das Ergebnis war nicht so wie erhofft. Also wurde weiter gestritten – und "auf einmal ging es um mehr als um Aufnahmen, es ging um die Selbstfindung der Gruppe Grauzone. Das Zeitbudget wurde hoffnungslos überzogen, die Stimmung war an- gespannt, doch am Ende verließ man das Studio mit zwei Songs, von denen einer – eben 'Eisbär' – in die Musikgeschichte eingehen, die Band kurz darauf aber auch zerreißen sollte." ('Der Bund').

Die Band war plötzlich in den Charts und "keiner in Bern hatte es bis dahin mitbekommen. Wir waren Punks und hatten uns nie um Verträge gekümmert, aber als der Erfolg kam, war es für Grauzone schon zu spät" (Rep- peto). Die Gruppe verweigerte sich den kommerziellen Anforderungen eines Charterfolges und entzog sich den Mechanismen der Pop-Industrie. So weigerten sich Grau- zone beharrlich im Fernsehen aufzutreten, lieferten bei ihren Konzerten Synthesizer-Improvisationen ab und spielten ihre Hits nicht. "Wenn einer 'Eisbär' hören will, soll er sich die Platte kaufen" so die Gebrüder Eicher. "Die Musiker, die Ende 1980 im Züricher Pornokino Wal- che auf der Bühne standen, waren nicht in Form. Schlechte Drogen waren im Spiel, die Stimmung unter den Musikern war mies, das Auditorium zornig. Es war das letzte Konzert von Grauzone in ihrer Grundformation. Man hatte sich verzettelt im Bemühen, dem Publikum das zu verweigern, was es hören wollte" ('Der Bund'). So sollte Eisbär der einzige große kommerzielle Erfolg der Band werden. Der Text basierte auf einem Albtraum, den Martin Eicher gehabt haben soll. "In seinem Traum sah er Eisbären auf einer Mauer, die sich unterhielten. Der Song und der Text waren ein Abschied von den alten Punktagen, auch weil wir musikalisch ambiva- lenter wurden" (Repetto). Grauzone konzentrierten sich auf Film- und Studioarbeiten und veröffentlichten – jetzt als Trio Eicher, Eicher und Repetto – unter der Regie von Urs Steiger die EP 'Moskau' mit den zusätzlichen Titeln Ein Tanz mit dem Tod und Ich lieb sie. G.T. war nur noch als Gast bei Ich lieb sie zu hören. Grauzone waren "wie eine Gruppe von Planeten, die auf Kollisionskurs waren.

Das waren zwei Parteien – die Eicher-Brüder auf der einen und G.T. und ich auf der anderen Seite. Aber es waren auch die unterschiedlichen Temperamente, die der Schlüssel zum Erfolg waren" (Repetto). Im Sommer 1981 ging das Trio Eicher, Eicher und Repetto wieder unter der Regie von Steiger ins Sunrise Studio, um ihr |63 selbstbetiteltes Studio-Album (konsequnterweise ohne Eisbär) für OFF COURSE RECORDS aufzunehmen. Neben den Dreien wirkten noch Angela Schleitzer (sax, Liliput, Kleenex) und G.T. als Gäste mit. "Trotz, und vielleicht gerade wegen ihrer be- scheidenen Instrumentierung mit Schlagzeug, Synthie und Gitarre entstanden auf dieser Platte zeitlose elektronische Perlen wie 'Wütendes Glas' oder 'Der Weg zu zweit'" ('ichwillspass.de'), die "bedeutungsschwanger düster-depressive Stimmungen heraufbeschworen, manchmal an New Order erinnerten" ('NDW Lexikon'). Aber "wir konnten dem Erfolgsdruck nicht stand- halten. Wir wollten nichts tun, was die Industrie von uns verlangte.

Als 'Eisbär' ein Hit war, gab es die Band praktisch nicht mehr. Alles in allem haben wir nur 10 Konzerte gespielt" (Repetto). Im Herbst hatte Schlagzeuger Repetto Grauzone bereits verlassen. Vorher begannen die Eicher-Brüder mit der Arbeit am Video 'Film 2'. In dieser Periode kam Ingrid Berney (b, dr, voc) neu zu Grauzone und trat mit der Gruppe auch live auf. 1982 wurden noch die Singles Träume mit mir und Ich und du veröffentlicht, dann löste sich die Gruppe 1982 auf. Daß Grauzone das Potenzial gehabt hätten, eine noch nachhaltigere Rolle zu spielen, bewies auch der 2010er Sampler '1980 - 1982', der (bis auf einen Titel) sämtliches Material enthält, das die Band jemals aufgenommen hat, inklusive einer Live- aufnahme von 1980 und fünf noch nie auf CD veröffentlichten Stücken. "Grau- zone schlenkern so unberechenbar wie neckisch zwischen Avantgarde und Pop, zwischen New Wave, Post-Punk und Neuer Deutscher Welle, zwischen sprödem Ernst und wunderlichem Humor, ohne sich je zu entscheiden. Dabei ist das Songmaterial erstaunlich gut gealtert, da finden sich in bestem 64| No-Wave-Duktus gehaltene Zornaus- brüche wie das wunderbare 'Ein Tanz mit dem Tod' neben schlüssigen Instrumental-Elektro-Tracks oder auch eigentliche 'Eisbär'-Nachfolge-Hits wie 'Raum' und 'Träume mit mir'. Grauzone nahmen Anfang der Achtzigerjahre viel von dem vor- weg, was heute im Post-Punk-Revival wieder als chic gilt" ('Der Bund'). G.T./Trüssel und Repetto gründeten mit dem früheren Glueams-Gitarristen Martin 'Pavli' Pavlinec und Dominique Uldry (dr) die Band Missing Link, aus der dann Eigernordwand entstand.

Trüssel wechselte anschließend zu der dem Futurismus angelehnten Aktionsgruppe Red Catholic Orthodox Jewish Chorus und spielte dann in der Gruppe des Schweizer Performan- cekünstlers Edy Marconi, in der zeitweise auch Repetto auftauchte. Später arbeitete Trüssel in der Gruppe I Suonatori. Martin Eicher veröffentlichte 1988 die Vier-Song-EP 'Spellbound Lovers', ein ausgefallenes, jedoch unbeachtetes Werk und zog sich danach weitgehend aus dem Musikgeschäft zurück. Stephan Eicher begann nach der Trennung von Grauzone mit seiner Arbeit als Solist und veröffentlichte 1983 mit 'Les Chan- sons Bleues' sein hervorragendes Solo-Debüt. Mittlerweile kommt er auf fast zwei Dutzend erfolgreiche Alben, etliche EPs...

Burghard Rausch 

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Aus grauer Städte Mauern - Die Neue Deutsche Welle (NDW)

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