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Hein & Oss Kröher

"Volkslieder als Element der Geschichtsschreibung 'von unten'" (Hermes Handlexikon 'Die großen Chansonniers und Liedermacher').

"Wir haben schon immer gern und viel und laut gesungen. Und wenn man zu zweit ist von Geburt (eineiige Zwillinge), dann geht das fast von allein. Weil wir nach dem letzten Krieg einige Jahre auf der untersten Stufe des Produktionsprozesses schufteten, haben wir die Ausbeutung direkt erfahren und uns Gedanken darüber gemacht, wie man das abschaffen kann. Das hatten aber Karl Marx und seine Leute schon viel besser getan und wir machten uns ihre Gedanken zu eigen. Wir fanden auch die Lieder, die das ausdrückten. Und wir haben sie schon gesungen, als man dafür fast nur Gelächter übrig hatte." Besser kann man das, wofür die Brüder Kröher stehen, gar nicht formulieren, wie es hier Oss Kröher 1972 in 'Sing In' tat – dem damals von Heinz Mees herausgegebenen Magazin für Kabarett, Song und Chanson. Obwohl die beiden 1927 in Pirmasens geborenen Volkssänger keine eigenen Texte und Melodien schreiben, also nicht der Tätigkeit nachgehen, die das Genre des Liedermachers wesentlich ausmacht, haben sie die deutsche Liedszene mit ihrer Arbeit entscheidend geprägt. "Hein & Oss haben sich", wie Thomas Rothschild den beiden Musikern bescheinigt, "um das wahrhaft volkstümliche, das demokratische Lied bemüht. Sie sind sich treu geblieben." Und das, "lange bevor man von einer neuen Volksliedbewegung sprach."

Hein & Oss sind geprägt von der Tradition der Jugendbewegung und des Wandervogels. Sie fanden dort nicht Nationalismus und miefige Bürgerlichkeit, sondern das genaue Gegenteil. So wie Peter Rohland waren sie interessiert an den demokratischen Traditionen, an den Freiheitsliedern der deutschen Geschichte. Darin "drücken sich die Angehörigen der werktätigen Klasse aus – denn sie schufen das Volkslied und tradier(t)en es: Liebe, Klage, Frohsinn, Forderungen, Trauer, Aufrufe", formulierte Oss Kröher vor 34 Jahren. Für die Kröhers waren Volkslieder kein hehres Bildungsgut für den Musikunterricht, sie gehörten zum sozialen und kulturellen Umfeld ihrer Kindheit und Jugend.

Wie groß das Spektrum ist, das Hein & Oss Kröher in ihrem Repertoire haben, zeigen die hier zusammengestellten Beispiele. Auf ihrer ersten Langspielplatte 'Soldatenlieder' von 1966 finden sich die beiden Lieder O König von Preußen und Die große Hungersnot. Sie bringen nicht patriotisches Kriegslob zum Ausdruck, sondern schildern das Leid und die Not der Soldaten. Wie Peter Rohland reisten auch die Kröhers um die halbe Welt. Die Volkslieder, die sie bei ihren Reisen kennenlernten, machten sie nach ihrer Rückkehr hierzulande bekannt. Ähnlich einem Pete Seeger, der genau dies im Zuge des Folkrevivals in den USA machte. So stellten Hein & Oss der Deutschen Jungenschaft, der sie angehörten, erstmalig Spirituals vor. Auf ihrer 1970 veröffentlichten LP 'Auf der großen Straße' haben sie ohne jegliche Deutschtümelei Fahrtenlieder zusammengestellt, deren Wurzeln bis ins Mittelalter zurückreichen, und sie ihrem Publikum mit diesen Worten im Beiblatt präsentiert: "Mögen sie helfen, die Völker Europas zu verbinden …".

Vier Jahre später nahmen Hein & Oss eine Schallplatte mit Liedern der 48er Revolution auf. Mit Texten u. a. von Ferdinand Freiligrath, Heinrich Hoffmann von Fallersleben, Ludwig Pfau und anonymen Flugschriften. Auf der Plattenhülle druckten sie einen Aufruf des im Juli 1974 aus seinem Amt ausgeschiedenen Bundespräsidenten Gustav Heinemann ab, der die Schuljugend zu einem Wettbewerb über das Thema 'Deutsche Revolution' aufrief: "Wir haben heute das großartige Angebot einer freiheitlichen, rechtsstaatlichen, sozialen Demokratie in unserem Grundgesetz. Für diese Grundrechte ist in unserer Geschichte gekämpft worden. Diese Vorgänge sollten ans Licht gebracht werden und weit stärker als bisher im Bewußtsein unseres Volkes verankert werden." Von dieser Platte stammt eine Satire, die Georg Herwegh über die Kompromissbereitschaft des deutschen Bürgertums gegenüber dem Adel schrieb: 'Mein Deutschland, strecke die Glieder'.

Lange bevor in der Bundesrepublik die Werke Hanns Eislers in Mode kamen, wurden seine Brecht-Vertonungen in den Reihen der Deutschen Jungenschaft gesungen. Wie beispielsweise Das Solidaritätslied, das Hein & Oss Kröher schon 1948 kennengelernt hatten. Die hier vorliegende Fassung nahmen sie für die 1975 veröffentlichte Platte 'Hein & Oss singen Arbeiterlieder' auf.

Schließlich ist es auch ein Verdienst der Gebrüder Kröher – mehr als 30 Jahre vor der aktuellen Volksliedwelle –, alte Melodien wie Wie schön blüht uns der Maien (von der 1976 erschienenen LP 'Hein & Oss singen Volkslieder') nicht nur für ihr Publikum, sondern auch für eine junge Generation von Liedermachern wieder hörbar gemacht zu haben.

Matthias Henke beschreibt den Kröher-Sound im Hermes Handlexikon 'Die großen Chansonniers und Liedermacher' als "mal im perfekt synchronen Unisono, mal in rauher Zweistimmigkeit verlaufend, mal voller Lagerfeuerromantik, mal voller plebejischem Trotz und Rotz". Ein Sound, der nach dem Zweiten Weltkrieg wesentlich dazu beigetragen habe, "das deutsche Volkslied von der Okkupation durch die Nationalsozialisten zu befreien, es nicht mehr zur Geschichtsklitterung und Propaganda zu mißbrauchen, sondern es als Element einer Geschichtsschreibung 'von unten' zu verstehen."

Gemeinsam mit Peter Rohland spielten Hein & Oss Kröher eine wesentliche Rolle bei der Gründung der Festivals auf der Burg Waldeck. 1969 veröffentlichten sie unter dem Titel 'Rotgraue Raben – Vom Volkslied zum Folksong' das erste wichtige Buch über die neue deutsche Liedbewegung in den sechziger Jahren. Darin stellten sie u. a. in Interviews die zum damaligen Zeitpunkt wichtigsten Liedermacher vor, wie Franz Josef Degenhardt, Hanns Dieter Hüsch, Walter Mossmann und Dieter Süverkrüp.


Auszug aus
Various - Liedermacher in Deutschland
Vol.1, Für wen wir singen (3-CD)
/various-liedermacher-in-deutschland-vol.1-fuer-wen-wir-singen-3-cd.html

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